Was ein degressives Arbeitslosengeld bedeutet
Zuerst mehr, dann weniger. Fünf Gründe, die gegen ein sinkendes Arbeitslosengeld sprechen
Hunderttausende Menschen sind arbeitslos und angesichts der Arbeitsmarktlage werden viele auch nicht rasch wieder einen Job finden können. Gleichzeitig spricht sich der neue Arbeitsminister in einem Interview dafür aus, das Arbeitslosengeld so zu gestalten, dass es zu Beginn höher ist und später sinkt – degressives Arbeitslosengeld nennt sich dieses Modell. Denn „Leistung soll belohnt werden“ und die, die arbeiten „dürfen nicht die Dummen sein“, daher will man den „Durchschummlern“ zu Leibe rücken, hat man schon in der Vergangenheit öfter gehört.
Das Wording ist nicht neu, und auch der Vorschlag nicht: Die schwarz-blaue Bundesregierung hatte bereits vor, das Arbeitslosengeld mit Dauer der Arbeitslosigkeit abzusenken. Umgesetzt hat Schwarz-Blau das nicht mehr. Und das ist gut so, denn es spricht einiges gegen ein degressives Arbeitslosengeld.
Fünf Gründe gegen ein degressives Arbeitslosengeld:
1) Kein Weg aus der Arbeitslosigkeit
Wenn es – wie auch aktuell – viel mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt, ist es unmöglich, dass alle rasch wieder Beschäftigung finden. Arbeitslose haben am aktuellen Arbeitsmarkt gar nicht die Chance, sofort wieder eine Stelle anzunehmen. Wird das Arbeitslosengeld gekürzt oder degressiv gestaltet, bedeutet das enorme Einkommenseinbußen, Armut und Existenzängste für die Betroffenen.
2) Falscher Anreiz
Ein sinkendes Arbeitslosengeld kann zwar dazu führen, dass jemand eher einen Job annimmt. Allerdings führt es auch dazu, dass Menschen irgendeinen Job, unabhängig von der Qualifikation annehmen. Dieser „Drehtüreneffekt“ bewirkt, dass diese Menschen meist rasch wieder in der Arbeitslosigkeit landen. Besser wäre, Arbeitslose gezielt zu betreuen, aus- bzw. fortzubilden oder umzuschulen. Ein weiteres Argument gegen ein degressives Arbeitslosengeld ist, dass das AMS bei Arbeitsunwilligkeit oder Verweigerung von Kursmaßnahmen bereits jetzt das Arbeitslosengeld streicht oder kürzt.
3) Keine Ersparnis
Auf den ersten Blick mag ein sinkendes Arbeitslosengeld kostengünstiger sein - ist es aber nicht. Der Staat erspart sich dadurch kaum etwas. Eine Absenkung des Arbeitslosengeldes führt nur dazu, dass mehr Menschen in die Mindestsicherung rutschen – die Kosten verschieben sich also nur auf die Sozialausgaben. Das Wifo hat sich in einer Studie von 2019 drei Szenarien für einen degressiven Arbeitslosengeldbezug angesehen. Das Ergebnis: Zwei von drei Szenarien sind teurer als das aktuelle Modell (Arbeitslosenversicherung, Mindestsicherung, Sozialhilfe).
4) Billiglohnsektor
Ja, andere Länder haben ein degressives Arbeitslosengeld. Langzeitarbeitslose müssen in Frankreich mit 34 Prozent, in Deutschland mit 22 Prozent und in Tschechien sogar mit nur 18 Prozent vom letzten Nettolohn auskommen. Wohin das führt, zeigt sich am Beispiel Deutschland, wo sich durch die Einführung von Hartz-IV ein Billiglohnsektor mit 1-Euro-Jobs entwickelt hat. Zahlreiche Menschen leben dadurch unter der Armutsgrenze und das Lohnniveau wird massiv gedrückt.
5) Soziale Spaltung
Vor allem die Schwächsten der Gesellschaft sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen: Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen. Und genau diese Menschen würde ein degressives Arbeitslosengeld besonders hart treffen. Weil ein geringer Verdienst in Folge auch ein niedrigeres Arbeitslosengeld bedeutet, zählen Frauen aufgrund häufiger Teilzeitarbeit ebenfalls zu den VerliererInnen eines degressiven Arbeitslosengeldes wie BerufsanfängerInnen.
ÖGB-Programm gegen Arbeitslosigkeit
Statt ein degressives Arbeitslosengeld einzuführen und Menschen damit in Armut zu treiben, hat der ÖGB ein Programm entwickelt, das innerhalb eines Jahres 150.000 Menschen in Beschäftigung bringt.
Hier das ganze Programm "Kampf gegen Arbeitslosigkeit" downloaden.